Fachartikel
Ölfeuchte und Wasseraktivität (aw)

Senja Leivo
Senior Industry Expert
Vaisala
Jedes Fluid kann eine bestimmte Menge an gelöstem Wasser aufnehmen. Die maximale Menge, die ein Fluid in gelöster Form enthalten kann, wird als ihr Sättigungspunkt bezeichnet. Ist der Sättigungspunkt erreicht, wird bei weiterer Erhöhung des Wassergehalts das Wasser in einer Schicht vom Öl abgeschieden. Da die meisten Öle eine geringere Dichte als Wasser aufweisen, lagert sich diese Wasserschicht unterhalb des Öls ab.
Der Sättigungspunkt eines Öls ist eine Funktion verschiedener Faktoren, wie z. B. der Zusammensetzung seiner Grundsubstanzen (mineralisch oder synthetisch) als auch der Arten von verwendeten Additiven, Emulgatoren und Oxidationsmittel. Neben diesen grundlegenden Unterschieden in der Zusammensetzung ändert sich der Sättigungspunkt eines Öls während des Alterungsprozesses als Isoliermedium. Der Sättigungspunkt wird mit zunehmendem Alter durch zwei Hauptfaktoren beeinfl usst – Temperaturwechsel sowie chemische Zusammensetzung auf Grund neuer Substanzen, die als Nebenprodukte chemischer Reaktionen in einem dynamischen Ölsystem entstehen.
Die herkömmliche Maßeinheit zur Bestimmung des Wassergehalts in Öl ist ppm (parts per million). Welche Bedeutung hat die ppm-Bestimmung? Die Maßeinheit ppm ist eine Kenngröße für den absoluten Feuchtegehalt, der das Volumen- oder Masseverhältnis von Wasser zu Öl beschreibt:
Auf das Volumen bezogen: 1 ppm(v)Wasser = 1 ml Wasser / 1 m3 Öl
ODER
Auf die Masse bezogen: 1 ppm(v)Wasser= 1 g Wasser / 1000 kg Öl
Eine ppm-Bestimmung weist allerdings eine grundlegende Einschränkung auf. Es wird keine Veränderung des Sättigungspunktes eines Öls angezeigt. Das bedeutet, dass in einem dynamischen Ölsystem mit schwankendem Sättigungspunkt eine ppm-Messung keinen Aufschluss darüber gibt, wie nahe der Feuchtegehalt am Sättigungspunkt eines Öls liegt. Das wird vor allem dann kritisch, wenn der Wassergehalt sich dem Sättigungspunkt des Öls nähert. Dann besteht die Gefahr, dass der Sättigungspunkt überschritten wird und sich freies Wasser bildet – bei fast allen Ölanwendungen eine Verunreinigung, die zu Störungen oder Ausfällen führen kann.
In dem folgenden Beispiel sehen Sie, was passiert, wenn sich die Temperatur eines Öls um z.B. 40 °C (104°F) verringert:
Image
![]() | Schmieröl Getriebegehäuse Temperatur: 70 °C Sättigungspunkt: 5000 ppm Tatsächlicher Wassergehalt in Öl: 2000 ppm aw: ~0,40 |
Die Darstellung zeigt, dass der Sättigungspunkt des Öls bei +70 °C 5000 ppm beträgt. Der Wassergehalt in diesem Öl beträgt 2000 ppm. Das bedeutet, das Öl kann noch weitere 3000 ppm Wasser aufnehmen, bevor die Sättigung erreicht ist. Dieses wird gelegentlich als Differenz zum Sättigungspunkt bezeichnet.
Sinkt die Temperatur des Öls auf z.B. +30 °C, fällt der Sättigungspunkt des Öls auf 3000 ppm. Beachten Sie dabei, dass der Wassergehalt im Öl sich dabei nicht verändert hat (unverändert 2000 ppm). Die Differenz zum Sättigungspunkt hat sich allerdings auf 1000 ppm verringert.
In diesem Beispiel würde der Betreiber keine Veränderung des vorhandenen Wassergehaltes feststellen (2000 ppm), wenn er ausschließlich eine ppm-Messung vornähme, obwohl die Differenz sich drastisch verringert hat und der Abstand zwischen Sättigungspunkt und tatsächlichem Wassergehalt viel geringer geworden ist, wodurch ein deutlich größeres Risiko der Bildung von freiem Wasser vorliegt.
Image
![]() | Schmieröl Getriebegehäuse Temperatur: 30 °C Sättigungspunkt: 3000 ppm Tatsächlicher Wassergehalt in Öl: 2000 ppm aw ~0,67 |
Was würde passieren, wenn der Sättigungspunkt nach einem Jahr aufgrund der Alterung des Öls sich auf 1500 ppm verringerte?
In diesem Fall würde es keinen Spielraum zur Sättigung mehr geben, da der Wassergehalt jetzt über dem Sättigungspunkt liegt. Wie vorher beschrieben würde der Betreiber weiterhin einen Feuchtegehalt von 2000 ppm ablesen, obwohl der Sättigungspunkt auf 1500 ppm gesunken ist und sich 500 ppm freies Wasser gebildet hat.
Wird statt der ppm-Bestimmung eine Messung der Wasseraktivität vorgenommen, kann dieses Problem vermieden werden.
Image
![]() | Alter Sättigungspunkt Freies Wasser Neuer Sättigungspunkt |
Was versteht man unter Wasseraktivität (aw)?
Die Wasseraktivität (auch aw-Wert oder Activity of Water) ist ein Maß für frei verfügbares Wasser in einem Material. Sie ist definiert als Quotient des Wasserdampfdrucks über einem Material (p) zu dem Wasserdampfdruck über reinem Wasser (p0 ) bei einer bestimmten Temperatur:
aw = p / p0
dabei ist
p = Partialdruck des Wassers in einer Substanz über dem Material
p0= Sättigungsdampfdruck des reinen Wassers bei gleicher Temperatur
In dem obigen Beispiel verändert sich aw als Funktion des Sättigungspunktes (p0 , im Nenner). Die Wasseraktivität wird sich auch als eine Funktion des tatsächlichen Wassergehaltes im Öl verändern, d.h. Wasser, das vom Öl aufgenommen oder abgegeben wird. Mit anderen Worten: aw gibt immer die tatsächliche Differenz zum Sättigungspunkt an.
Während es möglich ist, für jedes Öl eine Wechselbeziehung zwischen aw und ppm abzuleiten, nimmt die Aussagekraft dieses Verhältnisses im Laufe der Lebensdauer eines dynamischen Ölsystems (z. B. Schmieröl) immer weiter ab. Wie bereits vorher dargestellt verändert sich die Zusammensetzung eines Fluids mit ihrem Alter, da chemische Reaktionen stattfinden, die nicht nur ihren Sättigungspunkt sondern auch das Verhältnis zur Wasseraktivität aw verändern. Diese Erscheinung wird in der nachfolgenden Grafik sichtbar:
Diese Grafik wurde aus Testdaten von Schiffsmotorenöl erstellt und vergleicht neues und gebrauchtes Öl miteinander. Da mit zunehmendem Alter des Öls eine konstante Änderung des Verhältnisses zwischen aw und ppm auftritt, ist es schwierig, über die Lebensdauer eines Öls eine wirksame Korrelation aufrecht zu erhalten.

Es werden heute zahlreiche Methoden zur Messung der Ölfeuchte auf dem Markt angeboten. Die neueste Inline-Technologie zur Messung der Wasseraktivität verwendet einen kapazitiven Sensor, der auf dem Absorptionsprinzip beruht.
Der Sensor ist ein Kondensator, der aus einer oberen und einer unteren Elektrode besteht. Dazwischen befindet sich ein elektrisch nicht leitendes Dielektrikum. Das Dielektrikum absorbiert und desorbiert Wassermoleküle, was zu einer Veränderung der dielektrischen Konstanten und damit der Kapazität des Sensors führt. Die Wasserabsorption ist proportional zur Wasseraktivität eines Fluids. Die mit dieser Technologie verbundenen Vorteile sind die Möglichkeit einer direkt im Prozess durchführbaren Installation, sehr schnelle Ansprechzeit und gute chemische Beständigkeit, die sie für ein großes Spektrum von Fluiden einsetzbar macht.
Diese direkt im Prozess einsetzbare Technologie ist vor allem für Anwendungen mit großen Öl- oder Hydrauliksystemen geeignet, wie z. B. bei der Schmierung von Papiermaschinen oder Turbinen, aber auch für die Hersteller von Ölrückgewinnungsanlagen. Viele Produktionsanlagen sind heute mit vorausschauenden Wartungsprogrammen ausgestattet, um Ausfallzeiten von Maschinen zu verringern und ihre Lebensdauer zu erhöhen. Dabei ist eine direkt im Prozess durchführbare, kontinuierliche Feuchtemessung ein wesentlicher Bestandteil eines effizienten Fluidmanagements.
Zusammenfassend kann festgestellt werden: Während die herkömmliche Maßeinheit für den Feuchtegehalt in Flüssigkeiten das ppm ist, kann die Messung der Wasseraktivität ein umfassenderes Bild des Zustandes eines Fluids geben:
- Unabhängig vom Sättigungspunkt des Fluids, wird durch eine aw –Messung immer das tatsächliche Risiko der Bildung von freiem Wasser angegeben.
- Erhöht oder verringert sich der Sättigungspunkt aus irgendeinem Grund (z.B. Temperatur, Alter, Veränderung der physikalischen Eigenschaften), spiegelt die Wasseraktivität exakt die Differenz bis zur Sättigung wieder.
- Awist unabhängig vom zu messenden Fluid. Da aw auf alle Fluide und Festkörper zutrifft, kann es für alle Substanzen, unabhängig von ihrer chemischen Zusammensetzung oder physikalischen Merkmale, verwendet werden.